vom 16. bis 18. November 2007 in Frankfurt am Main


Sicherheit in der Stadt
... ein herausforderndes Thema für die SRL

Eine Jahrestagung zu einem vermeintlichen Randthema der städtebaulichen Planung zu veranstalten ist immer ein gewisses Wagnis. Insofern durfte man gespannt sein, ob nach der letzten Jahrestagung von Solingen zur Regionalentwicklung wieder ein überzeugender Wurf gelingen würde. Insbesondere die verantwortlichen Akteure fuhren mit Vorsicht nach Frankfurt am Main und ließen sich dort überraschen.
 
Mit zwei Vorträgen wurde die Tagung am Freitagnachmittag (nach einer thematisch umfangreichen Mitgliederversammlung) eröffnet. Der zum Thema Sicherheit in der Stadt schon öfters in den Medien aufgetretene Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky erläuterte in einer mitreißenden Vorstellung den Wertewandel und die staatliche Intervention. Ein bekanntes Beispiel ist die im Berliner Stadtteil Neukölln gelegene Rütli-Schule. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich der Bürgermeister intensiv mit gesellschaftspolitischen Schulfragen wie Schulbesuch, Anteil von Mutter-/Zweitsprache, Sozialerfahrung von Kindern etc. auseinandersetzt. Projekte wie ein (bezahlter) Wachschutz an Schulen oder der Einsatz ausgebildeter „Stadtteilmütter“ zur aufsuchenden Gemeinwesenarbeit und die Darstellung der Schulpflicht als notwendiger Schritt für die Entwicklung der nächsten Generation dienen dazu, sich eine Chance auf einen mittelfristig sicheren Stadtteil zu erarbeiten. Das Problem der hochmobilen Durchgangsbevölkerung führt zum ständigen Wegzug der sozialen Aufsteiger und es bleibt eine Schicht mit unsicheren Chancen, die entsprechend auf den Stadtteil ausstrahlt.

In etwas leiseren Tönen setzte Prof. Dr. Ingrid Breckner (HafenCity Universität Hamburg) den Aspekt „Armut als Sicherheitsrisiko?“ dagegen: Welche Armut? Welche Sicherheit? Als Quellen von Unsicherheit ergaben sich aus der konkreten Feldforschung in Wilhelmsburg (als „der Slum“ von Hamburg) die Distanz zwischen den Geschlechtern, die Vernachlässigung von Stadtgebieten, die private und öffentliche Verantwortungslosigkeit sowie die kulturelle Differenzierung und Homogenität. Zusammen mit anderen Fachleuten und Bürgern kann „die Stadtplanung“ auf den damit einhergehenden Aktionsfeldern konstruktiv mitwirken; angeführt wurden beispielhaft die Beteiligung der Öffentlichkeit und damit auch von schwierigen Menschen, die Schaffung bezahlbarer Wohnungsangebote, die Gestaltung öffentlicher Räume, die Einbeziehung von armen Menschen in alle Aktivitäten, die Kooperation mit der Polizei und eine kritische Auseinandersetzung mit „sicheren Konzepten“ (wie der ENV 14383-2 aus den Niederlanden). Letztlich hängt es an der formellen Beschäftigung insbesondere der Schichten mit Migrationshintergrund oder an der tagtäglichen Frage: Wie komme ich legal an Geld? Es können schließlich nicht alle vom Verkauf von Döner und Handy leben. Insofern gibt es einen deutlichen Bedarf an alternativer Unternehmensberatung für Unternehmen von Migranten mit dem Ziel, diese auch langfristig wirtschaftlich zu sichern. Der oftmals typische Ablauf von Idee, Unternehmensgründung und Insolvenz zwingt die Menschen in ein viel zu schnelles Hamsterrad und führt nicht zu nachhaltiger Sicherheit in der Stadt.

Die Beiträge von Buschkowsky und Breckner müssen vor dem Hintergrund der stadtsoziologischen Debatte um Integrationsmechanismen von Zuwanderern bewertet werden. Städte/Stadtagglomerationen sind immer auch Zuwanderungsgebiete gewesen (Ruhrgebiet, Berlin usw.). Die wichtigsten Merkmale sind "kulturelle Differenz" und "räumliche (und soziale) Dichte" und wie das miteinander auskommt. Friedliches Nebeneinander kann als Folge der Indifferenz (oder des ausgeprägten Desinteresses) der Stadtbürger an den Nachbarn gewertet werden. Oder auch als Folge von Toleranz und Freiheit der Stadtluft. In beiden Fällen geht es darum, Zuwanderern eine echte Perspektive zu geben, als gleichwertige Bürger der Gesellschaft anerkannt zu werden. Eine solche Perspektive gibt es aber nur über die Möglichkeit des legalen Gelderwerbs - denn Geld ist das einzige Transaktionsmittel zur Integration, das die bürgerliche Gesellschaft akzeptiert.
 
Wie das über migrantische Netzwerkstrukturen geschehen und wie dies durch die vorhandene Gesellschaft ermöglicht werden kann (und aus eigenem Interesse auch sollte), ist die praktische Frage, die sich stellt. Heinz Buschkowsky hat in seinem furiosen Beitrag aus der Praxis gezeigt, dass nichts gewonnen ist, wenn man sich normativ wegduckt und den Zuwanderern keine klaren Regeln gibt, die einen verlässlichen Orientierungsrahmen bieten. Die Verlässlichkeit eines gesellschaftlichen Normensystems, das notfalls auch repressiv durchgesetzt wird, ist nach dem legalen Gelderwerb die zweite notwendige Bedingung für erfolgreiche Integration. Die Mittel hierzu müssen über adäquate Angebote und Freiheitsräume, in denen sich die Menschen entfalten können, bereitgestellt werden. Dazu gehören auch Bildungs- und Aufklärungsangebote für die einheimische Bevölkerung usw. Dies war auch die Botschaft von Ingrid Breckner – wie auch in selten so gelungener Einheitlichkeit die Aussagen am Folgetag.
Nach diesen beiden Festvorträgen folgte unmittelbar ein wirkliches Fest. 20 Jahre Forum Mensch und Verkehr in der SRL gaben den Hintergrund für eine bunte Veranstaltung mit vorgetragenen Erinnerungen zur damaligen qualitativen Wandlung der SRL. Dabei hat sich auch das Forum vom beigetretenen Verein zum integrativen Bestandteil der SRL gewandelt und stellt heute das Kompetenzzentrum zum Thema Verkehr dar. Am Samstag ging es dann wieder um die Sicherheit: Der zweite Tagungstag gliederte sich in drei Blocks und beendete die Tagung mit einer Podiumsdiskussion.


Überwachung des öffentlichen Raums – trügerische Sicherheit?

In einem sanften Einstieg in das Thema gelangte Prof. Donata Valentien zur Gestaltung und insbesondere der Pflege des öffentlichen Raums. Der Bezug zur Sicherheit für die unterschiedlichen Nutzergruppen ist evident. Wichtiger als eine aufwändige Ausgestaltung bzw. die Anschaffung teurer Überwachungsgeräte ist die dauerhafte Pflege und Kontrolle des öffentlichen Raums. Ein engagierter Gärtner pro Park bringt mehr Sozialbezug als eine Truppe sich durch die Grünanlagen hindurchschneidender Leute vom Bauhof.

Detlef Schröder von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster erläuterte die polizeitechnischen Grundlagen der Video-Überwachung bezüglich der Hauptbeobachtungsfelder BTM-Kriminalität (Betäubungsmittel), Straßenkriminalität und Objektschutz. Entscheidend für das Ergebnis einer optischen Überwachung ist die Qualität des hinter dem Bildschirm sitzenden Operators. An dieser für die Einschätzung der Bilder verantwortungsvollen Position Billiglohnkräfte einzusetzen, lohnt letztlich nicht. Insofern sind bei solchen Maßnahmen Kosten und Nutzen abzuwägen und auch alternative Lösungen zu erwägen; das passiert bisher nur in geringem Umfang. Insgesamt kann die Video-Überwachung nur Teil eines Gesamtkonzeptes sein.


In einer kritischen Positionierung hat Dr. Bernd Belina (Länderinstitut Leipzig, vgl. PLANERIN 4/07, S. 8) auf die Aspekte von Repression und Prävention als Funktion der Polizei verwiesen und recht anschaulich dargestellt, dass über den reinen Blick auf einen Monitor die vorbeidefilierende Kriminalitätsmenge nicht gemessen werden kann. Wer wird hier eigentlich wo und aus welchem Grund überwacht? Letztlich sind es die an sich unbescholtenen Randgruppen, die aufgrund störender Erscheinung an bestimmten Stellen aus dem Verkehr gezogen werden. Geht es dabei überhaupt um Kriminalitätsfurcht?


Kommunale Sicherheitspolitik - Handlungsspielräume

Nach dem Anspruch von Thomas Köber, stellvertretender Polizeipräsident von Mannheim, muss die Überwachungsanlage als Teil einer Sicherheitsstrategie funktionieren. Placebo-Kameras kommen deshalb nicht in Frage. Die durch Video ausgelöste gefühlte Sicherheit muss im Zweifelsfall mit einem konkreten Einsatz korrespondieren; spätestens nach 2 bis 3 Minuten müssen im Aktionsfall die Beamten persönlich da sein. Auch dieser Anspruch verhindert eine beliebige Ausweitung der Videoüberwachung. In Mannheim verfügt die Polizei lediglich über neun Anlagen; die faktisch vorhandene Masse von Kameras befindet sich in privater Hand und damit nicht – auch nicht punktuell - im Verfügungsbereich des Staates. Als Alternative zur technischen Überwachung werden für eine Erhöhung der Sicherheit bessere Planung, bessere Beleuchtung und Nutzungsmischung mit Geschäften im Erdgeschoss (Augen auf die Straße) angeführt.

Über die Entstehung lokaler Präventionsgremien berichtete Verena Schreiber (Uni Frankfurt) vor dem Hintergrund einer umfassenden Studie (vgl. PLANERIN 4/07, S. 11). In der Häufigkeit fallen die Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen auf; hier bestehen auf Landesebene inzwischen auch Sicherheitspartnerschaften unter Beteiligung der SRL. Die zielgruppenorientierte Prävention spitzt sich eindeutig auf Kinder und Jugendliche zu und die raumorientierte Prävention erfolgt im öffentlichen Raum und weniger im „Angstraum“ oder gar in Großwohnsiedlungen.

Frank Goldberg (Präventionsrat Frankfurt am Main) berichtet über die Frankfurter Sicherheitsarchitektur der 14 Regionalräte (vgl. PLANERIN 4/07, S. 39). Anhand von Beispielen aus dem AK Planung zeigt er anschaulich an Frankfurter Stadtteilen, aufgrund welcher planerischen Fehler sich unsichere Situationen herausgebildet hatten. So hat man bei einer Wohnanlage im Galluspark die Spielplätze vergessen oder in Oberrad auf einer vorhandenen und für den Stadtteil sinnvollen Grünfläche mit Wohnungen für Alleinerziehende mit mehreren Kindern nachverdichtet. Mit den Kindern wuchsen auch die Probleme einer einseitigen Belegung in räumlicher Enge heran. Insgesamt hat sich die Frankfurter Sicherheitslage trotz dieser punktuellen Beispiele sichtbar entspannt; die Gegend in der der Tagungsort liegt, hat heute ein ganz anderes Image als noch vor einigen Jahren.


Städtebauliche Prävention – Herausforderung für Planende und Akteure

Den dritten und eher praktisch ausgerichteten Block eröffnete Katja Veil (FH Köln, Forschungsstelle Sozial - Raum - Management) mit einem Rückblick auf die Entwicklung der städtebaulichen Kriminalprävention. An zahlreichen Bildern wurden die Möglichkeiten zur Gestaltung vermittelt. Die ergänzenden Bilder aus Recife (Brasilien) von glasscherbenbewehrten Mauern eher ärmerer Wohnquartiere oder schusssicheren Kabinen abgeschotteter Gated Communities dienten als Erläuterung des Unterschieds zu europäischen Lagen. Dabei werden nur die Probleme ausgegrenzt und die alltägliche Unsicherheit wird auf andere Räume verschoben. Diese fremd erscheinenden Situationen könnten sich auch hier manifestieren. Dennoch muss man konstatieren, dass das Sicherheitsniveau in Deutschland vergleichsweise hoch ist. Wir leben hier (noch) im Paradies – aber auch das Paradies war bekanntlich eine recht unsichere Situation.


Julia Mölck berichtete als Leiterin einer kommunalen Fachstelle für integrale Sicherheit – aus Holland. Die Stadt Den Helder verfügt wie andere Kommunen in den Niederlanden auch über entsprechende Stellen und beschäftigt dort ausgebildete Planerinnen in intensiver Abstimmung mit Partnern wie Polizei und Jugendhilfe (vgl. PLANERIN 4/07, S. 31). Hier erstellt man Leitpläne für Sicherheit, begleitet Bauvorhaben (Gebäude und Umgebung) und führt Quartiersprojekte durch. Der Griff nach schnellen Lösungen führt dabei durchaus zu kurzfristigen Erfolgen, die man auf der anderen Seite auch braucht: Um das Image einer Stadt oder eines Quartiers umgehend zu verbessern und/oder Erfolge im Kontext der Wahlperioden vorweisen zu können. Die Leitstelle hat beratende Funktion und kein Budget für eigene Maßnahmen; insofern ist man auf Zusammenarbeit und die Akquisition der erforderlichen Mittel angewiesen.


Im abschließenden Beitrag berichtet Wulf Dau-Schmidt, freier Planer und Sozialpädagoge aus Kiel, über die Praxis der Beratung unsicherer Wohnquartiere im Rahmen der Sozialen Stadt. In diesen Stadtteilen ist der öffentliche Raum eigentumsrechtlich nur zu etwa 10 % öffentlich (also im Eigentum der Stadt), das meiste privat. Wem gehört die Stadt? Wenn dann ein Eigentümer als Neue-Heimat-Nachfolger nur noch die Restlaufzeit einer heruntergekommen Wohnanlage – wie am Beispiel Elmshorn gezeigt – wirtschaftlich verwerten möchte, fehlt ihm der eigene Antrieb, in die Sicherheit und damit in die Gestaltung und soziale Betreuung seiner Wohnungen zu investieren, wie man das von anderen Unternehmen durchaus vorbildlich kennt. Sicherheit ist damit nicht nur ein eher vordergründiges Thema für die gut belebten und durchmischten Einkaufsmeilen, sondern insbesondere ein nachhaltiges Problem für die eher anonymen „Problemstadtteile“. Der Vandalismus nimmt zu, Vermüllungsprobleme werden sichtbar, Reparaturen bleiben aus, Leerstände treten auf. Das Quartier wird ohne dass es unbedingt den Tatsachen entsprechen muss, vielleicht sogar als unsicher und gefährlich eingestuft. Zur Sicherheit gehört Geborgenheit und ist damit eine Grundvoraussetzung für Wohnzufriedenheit. Zum planerischen Umgang gehört auch das Miteinander. Durch Mitwirkung der Mieter in Siedlungen und im Wohnungsunternehmen kontrollieren diese die eigene Verwaltung und auch das Quartier, wie an dänischen Beispielen gezeigt wurde. Die Aktivierung und Motivierung der Bewohnerschaft muss immer ein vorrangiges Ziel für kriminalpräventive Aktivitäten sein. Dafür müssen sie in kooperative Netzwerke eingebunden werden, die Handeln und auch Verantwortung übernehmen. Zu den Handelnden gehören immer auch die Wohnungsunternehmen, die unterschiedlichen kommunalen Verwaltungen und die sozialen Träger. Durch die Dezentralisation der Polizei und ihre Verlagerung in die Wohnquartiere hat man in Flensburg großen Erfolg beim Ziel zu einer sicheren Stadt zu kommen. Die Quartiersstreifen der Polizei verfügen über keine eigenen Dienstwagen mehr und bewegen sich im Stadtteil zu Fuß oder mit dem Rad. Damit ist die Polizei vom Tatort- zum Wohnortprinzip übergegangen und zu einem geschätzten Partner in den Stadtteilnetzen geworden. Das Wissen über die Stadtteile ist bei der Polizei erheblich größer und die Aufklärungsquote höher.


Die Jahrestagung „Sicherheit – Herausforderung für die Stadt der Zukunft“ in Frankfurt am Main war ein voller Erfolg. Über 100 Teilnehmende erlebten eine hochkarätige Veranstaltung mit einer lebendigen Diskussion. Das kann ein Bericht nur ansatzweise wiedergeben. Das Thema Sicherheit in Städtebau und Stadtplanung steht nicht im Mittelpunkt des planerischen Handelns, es ist aber, ebenso wie bei den noch vor kurzem eher am Rande stehenden Themen Umwelt und Gender Mainstreaming, die aktuelle Relevanz der Sicherheit für die Stadt erkennbar. Die Stadtplanung muss und wird sich diesem Thema stellen – und damit auch die SRL. Die schon abgeschlossenen „Sicherheitspartnerschaften im Städtebau“ in Baden-Württemberg und in Niedersachsen sind dabei ein deutliches Indiz für eine Entwicklung, die sich demnächst in Nordrhein-Westfalen fortsetzen wird. In diese Partnerschaften auf Ebene ganz unterschiedlicher Einrichtungen ist die SRL als für die räumliche Planung und damit für das Aufgabenfeld Städtebau und Stadtplanung zuständiger Fachverband, jeweils eng eingebunden.

Die Tagung war außerordentlich informativ und spannend. Einfache Koordinaten, wie „Sicherheit durch und mit Polizeiintervention kann nicht zielführend sein“, wurden durch sehr differenzierte Beiträge in Frage gestellt. Dadurch wurden neue Sichtweisen eröffnet. Die Empathie der Vortragenden hat aber noch etwas gezeigt: Wenn es uns nicht gelingt, unser eigenes Wert- und Normensystem so attraktiv, demokratisch, human usw. auszugestalten, damit Integration in unsere Gesellschaft für Neuzuwanderer ein erstrebenswertes Ziel erscheint, dann versagt jede Sicherheitspartnerschaft oder Integrationspolitik.

Ronald Kunze