Dr.-Ing. Martin Rumberg; Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weyrauch, 13.06.2022

Entwurf eines Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (Wind-an-Land-Gesetz – WaLG)

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) e.V. ist der Berufsverband aller in der räumlichen Planung Tätigen. Registrierung der Vereinigung für Stadt-, Regional-und Landesplanung (SRL) e.V. im Lobbyregister unter der Nummer R003672.

Wir bedanken uns für die Zuleitung des Entwurfs der Formulierungshilfe und damit die Möglichkeit, sehr frühzeitig zu dem damit verbundenen Gesetzgebungsverfahren Stellung zu nehmen. Wir erlauben uns aber den Hinweis, dass eine Stellungnahmefrist über ein Wochenende nach unangekündigter Zusendung des Entwurfs am Freitagnachmittag nicht dazu geeignet ist, eine Auseinandersetzung mit dem umfangreichen Material und die Abstimmung detaillierter Fachpositionen dazu in der notwendigen Tiefe zu ermöglichen. Bei allem Verständnis für die Eilbedürftigkeit der Gesetzgebung sollten in Ihrem eigenen Interesse künftig wieder längere Fristen vorgesehen werden. Nur dadurch können sich Verbände wie unserer, der seine Arbeit im Wesentlichen auf die ehrenamtlich eingebrachte Fachexpertise seiner Mitglieder stützt, umfassend in das Gesetzgebungsverfahren einbringen.

In diesem frühen Stadium des Gesetzgebungsprozesses und angesichts der kurzen Stellungnahmfrist möchten wir hier zunächst einige sehr grundsätzliche Aspekte ansprechen. Wir äußern uns nach kursorischer Sichtung der Formulierungshilfe auf Basis fachlicher Überlegungen, die wir im Vorfeld zu diesem Themenkomplex angestellt haben. Zu den Details der Regelungen bitten wir im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens weiter beteiligt zu werden.

I. Erforderlichkeit und Umsetzung eines quantitativen Mengengerüstes für Windenergieflächen

Wir teilen grundsätzlich die Einschätzung, dass für eine zielgerichtete und rechtssichere Flächenbereitstellung für den Ausbau der Windenergie an Land quantitative Vorgaben für die  regionale und insbesondere die kommunale Ebene erforderlich sind. Bislang gibt es weder durch Gesetz noch durch Rechtsprechung Vorgaben dazu, ab welchem Anteil von Konzentrationsflächen an den insgesamt in Frage kommenden Potenzialflächen der Windenergie überhaupt substanziell Raum gegeben ist. Sind es 10, 15 oder 50 %? Das steht nicht fest – mit der Einschränkung, dass einzelne Regionen dazu eine keinesfalls allgemeingültige Festlegung getroffen haben. In dem Moment aber, in dem überhaupt kein Zielwert für die Bemessung des im Plan ausgewiesenen Flächendargebots für die Windenergie gibt (und es somit an einem Bewertungsbezug fehlt), hilft auch eine mathematisch genaue Berechnung des Anteils „hart“ gesperrter Tabuflächen nicht mehr weiter. Die Steuerung der Windenergie steckt in einer inhaltlichen Sackgasse.

Der vorliegende Regelungsvorschlag verteilt quantitative Flächenbeiträge mit einem eher schematischen Ansatz auf die Bundesländer. Die eigentliche fachliche Herausforderung, nämlich das Herunterbrechen auf die regionale und kommunale Ebene bis hin zu den konkreten Flächenabgrenzungen, wird auf die Länder verlagert. Da die großen Unterschiede zwischen den Ländern im tatsächlichen Flächenpotential für die Windenergie durch die vorgesehenen Werte weitestgehend nivelliert wurden, dürften die fachlichen Herausforderungen von Land zu Land sehr unterschiedlich sein. Für die Bewältigung der inhaltlichen Konflikte werden – offensichtlich bewusst – weder fachliche noch organisatorische Vorgaben gemacht, sondern die Länder erhalten weitestgehende Wahlfreiheit, auf welcher Ebene Vorgaben ansetzen und welche Entscheidungskriterien dafür herangezogen werden sollen. Zentrale bundesrechtliche Probleme der Festlegung von Windenergiegebieten bleiben dabei – zumindest im vorliegenden Regelungsvorschlag – ungelöst (siehe hierzu der folgende Abschnitt II. dieser Stellungnahme). Wir geben zu bedenken, dass damit die Landesplanungen einzelner Länder vor sehr große fachliche und organisatorische Herausforderungen gestellt werden, die deren bisherigen Arbeitsumfang (und auch die verfügbaren Ressourcen) überschreiten und auch neue Abstimmungs- und Beteiligungsmechanismen erfordern. Ob dies mit dem ambitionierten Zeitplan vereinbar ist, sollte kritisch überprüft werden.

II. Prioritärer Regelungsbedarf: Rechtssicherheit für die Flächenfestlegung schaffen!

Aus unserer Sicht wird mit den vorgeschlagenen Rechtssetzungen ein Grundproblem noch nicht behoben, das nachfolgend skizziert werden soll. Ein großes Problem besteht nach unserer Beobachtung darin, dass sich Plangeber mittlerweile bei der Steuerung der Windenergie mithilfe (sachlicher Teil-)Regional- und (sachlicher Teil-)Flächennutzungspläne einem kaum mehr zu überblickenden Anforderungskatalog aus der Rechtsprechung gegenübersehen. Besonders schwer wiegt die Position des Bundesverwaltungsgerichts, zwischen den sog. „harten“ und „weichen“ Tabuzonen strikt trennen zu müssen. Die Festlegung ist nicht einfach, teils kaum möglich, wie noch ausgeführt wird. Fehler bei der Tabuzonentrennung durch die planende Gemeinde werden von der Rechtsprechung in vielen Fällen als offensichtlich für das Abwägungsergebnis von Bedeutung eingestuft mit der Folge, dass der Einschätzungsfehler als beachtlich eingestuft und der Plan für unwirksam erklärt wird.

Wir befürchten, dass sich diese Rechtsunsicherheiten bei den durch das geplante WaLG angestoßenen Planungen für Vorrang- oder Konzentrationsgebiete zur Erreichung des 2%-Ziels fortsetzen, wenn nicht durch Gesetzgebung die Arbeit der Planungsbehörden erleichtert wird. Für die Windenergie würde viel erreicht, wenn die Einfallstore für Klagen durch Gesetzgebung eingeschränkt würden. Die Steuerung der Windenergie in Flächennutzungsplänen setzt die Ausarbeitung räumlicher Gesamtkonzepte voraus. Hieraus muss sich nachvollziehbar ergeben, warum am Ende des Planverfahrens ein Großteil der Außenbereichsflächen für die Windenergienutzung gesperrt worden ist. Auf Grundlage des räumlichen Gesamtkonzeptes muss die Gemeinde nachweisen, dass der Windenergie trotz Beschränkung auf Konzentrationsflächen substanziell Raum gegeben wird. Pläne, die diesen Nachweis schuldig bleiben, scheitern vor Gericht. In dem Konzept müssen zunächst all die Flächen herausgefiltert werden, die für Windkraftanlagen nicht in Betracht kommen. Das sind zunächst der Wohnnutzung dienende Siedlungsflächen (Kleinwindanlagen ausgenommen). Geht es nach dem OVG Lüneburg (U.v. 05.03.2019 – 12 KN 202/17), bedarf es trotz der auf den Außenbereich nach § 35 BauGB bezogenen Privilegierung von Windkraftanlagen auch einer detailscharfen Untersuchung von Innenbereichslagen. Das wird damit begründet, dass beispielsweise auch in Industrie- und Gewerbegebieten Windkraftanlagen grundsätzlich denkbar sind, die wiederum bei der Prüfung, ob innerhalb des Planungsraums der Windenergie substanziell Raum gegeben wird, zu berücksichtigen wären. Der Plangeber ist also dazu aufgefordert, alle bebauten Bereiche (hartes Tabu), alle – auch unbeplanten – Bebauungsplangebiete und Satzungsgebiete nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 BauGB sowie den im Zusammenhang bebauten Ortsteil (unbeplanter Innenbereich) genau abzugrenzen. Selbst innerhalb von Siedlungsbereichen verlangt das Gericht eine genaue Prüfung. Nicht bebaute Bereiche im Siedlungszusammenhang (z.B. nicht bebaute Wohnbauflächen im FNP) sind keinesfalls automatisch als harte Tabuzone einzustufen; denn es lässt sich nicht ausschließen, dass solche Planungen später noch revidiert werden. Hinsichtlich der Abstände zu den Siedlungsrändern muss nach der Rechtsprechung zwischen einer „hart“ gesperrten inneren Kernzone und außen angrenzenden „weichen“ Tabuabständen unterschieden werden. Die Überprüfung des Gemeindegebiets nach weiteren schutzwürdigen Bereichen zieht deutlich weitere Kreise. Ob Landschaftsschutzgebiete, Naturschutzgebiete, Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH-Gebiete), oder europäische Vogelschutzgebiete, ob Wald- oder Wasserflächen, ob Richtfunkstrecken oder Interessen der Deutschen Flugsicherung zur Freihaltung von Schutzzonen rund um Radar- und Navigationsanlagen, ob Starkstromleitungen oder Fernstraßen und Bahnstrecken, all dies und noch mehr verlangt nach einer dezidierten Einteilung in „harte“ und „weiche“ Zonen, Restriktionsbereiche und übrige Flächen. Dies ist nicht einfach. Allein Waldflächen lassen sich unterschiedlichen Kategorien mit abweichendem Schutzstatus zuordnen (u.a. Lärmschutzwald, Sichtschutzwald, Wald mit hoher ökologischer Bedeutung, Wald mit historischer Waldbewirtschaftung, Bodenschutzwald). Und in FFH-Gebieten hängt vom Erhaltungsziel und Schutzzweck konkret ab, ob das Gebiet für Windenergieanlagen „hart“ oder ggf. nur kraft Abwägung „weich“ gesperrt wäre oder nicht.

Zentral ist in diesem Zusammenhang die Frage, wann eine Tabuzone „hart“ ist und wann „weich“. Die Definition des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) liest sich verführerisch einfach. Hart gesperrt sind solche Zonen, in denen die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen auf unabsehbare Zeit aus tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen schlechthin ausgeschlossen ist (BVerwG, B.v. 15. 09.2009). Das Gericht geht also davon aus, dass sich abschließend und auf der Ebene der Flächennutzungsplanung flächenscharf der Bereich abgrenzen lässt, in dem aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen der Windenergie „harte“ Tabukriterien im Wege stehen und wo davon ausgehend die „weiche“ Tabuzone beginnt. Bei näherer Befassung mit dieser Definition stellt sich aber heraus, dass sich die Vorstellung des BVerwG in der Praxis kaum umsetzen lässt. Dies lässt sich unter anderem am Beispiel von Schutzabständen rund um Siedlungen erläutern, die nach der Rechtsprechung in einen „harten“ Kern und einen äußeren „weichen“ „Kranz“ aufzuteilen sind. Für die Festlegung der äußeren Begrenzung der „harten“ Tabuzone um eine Wohnbebauung herum ist von der Rechtsprechung ein Abstand der zweifachen Gesamthöhe einer Windkraftanlage anerkannt worden. Das OVG Münster (U.v. 09.08.2006 – 8 A 3726/05) hatte entschieden, dass bei einem nur 2-fachen Abstand der Windkraftanlage und weniger regelmäßig von einer nicht vertretbaren optisch bedrängenden Wirkung auszugehen ist. Ein solcher 2-h-Abstand um Wohnhäuser herum sei somit „hart“ zu sperren. Was sich auf den ersten Blick einfach anhört, stellt sich – so pauschal – für den Plangeber als mitunter schwer begründbare Entscheidung heraus. Denn von welcher Windkraftanlagenhöhe soll er im Rahmen seiner Flächennutzungsplanung ausgehen? 240 m, 250 m, 270 oder noch höher? Fast im Jahrestakt entwickelt die Windenergiebranche neue, leistungsfähigere und höhere Anlagen. Die dem Planentwurf zu Grunde gelegte Höhenannahme kann zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des FNP, in den sich keine verbindlichen Höhenvorgaben aufnehmen lassen, schon wieder überholt sein. Außerdem lässt sich eine optisch bedrängende Wirkung bereits dann kaum mehr rechtfertigen, wenn zwischen Wohnhaus und Anlage ein an das Wohngrundstück unmittelbar angrenzender, die Sicht versperrender Wald liegt. Eine definitive äußere Grenze für den Bereich rund um Siedlungen herum zu ziehen, für den sich sagen lässt, dass alle innen liegenden Flächen noch aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zu sperren sind, ist sachlich nicht zu begründen. Dies wissend, ist es ärgerlich, wenn ein Gericht eine Windenergieplanung u.a. daran scheitern lässt, dass bei einem gesetzten Abstand von 500 m von Wohngebäuden im Außenbereich nicht deklariert wurde, welcher Anteil daran „hart“ und welcher Anteil „weich“ gesperrt ist, obwohl sich mit Sicherheit nur feststellen lässt, dass eine Tabuzone mit größerem Abstand zum Siedlungsrand i.d.R. einen immer „weicheren“ Charakter haben wird.

Der Gesetzgeber würde die hohe Klageanfälligkeit von Plänen zur Steuerung der Windenergie allein dadurch enorm reduzieren helfen, indem er insb. durch Vorschrift im BauGB regeln würde, dass ein Abstand von … m [z.B. 1.000 m] um den Rand von Ortslagen/von dem Wohnen dienenden Gebieten/von dem Wohnen, Arbeiten und der Erholung dienenden Gebieten [wäre noch genauer zu definieren] pauschal für die Aufstellung von Windkraftanlagen gesperrt ist. Es kommt schlichtweg nicht darauf an, ob die Grenze zwischen harter und weicher Tabuzone um Siedlungsränder herum bei 400, 500 oder z.B. 600 m verläuft, wenn doch regelmäßig sowieso 800 m- oder noch größere Abstände geplant werden. Eine Vorschrift in dem oben genannten Sinne erleichtert die Planungsaufgabe enorm. Insbesondere oft unterbesetzte Planungsbehörden würde dies enorm entlasten. Die Erfolgsbilanz der Pläne dürfte sprunghaft steigen. Viele in der Rechtsprechung entwickelte zu hohe Hürden für die Planung würden entfallen.

Eine fachliche Diskussionsbasis für konkrete Abstandswerte könnten z. B. die differenzierten Werte der aktuellen im Auftrag des BMWK erarbeiteten Flächenpotenzialstudie (Guidehouse Germany 2022) sein, die Grundlage der vorliegenden Formulierungshilfe ist.

III. Zum Steuerungsmechanismus der Windenergiegebiete.

Abschließend erlauben wir uns noch einige skizzenhafte Bemerkungen zur Wirkungsweise der geplanten Regelung insgesamt. Der vorliegende Regelungsvorschlag beinhaltet einen    Mechanismus, der sich auf die quantitative Bereitstellung von Windenergieflächen fokussiert. Beim Verfehlen der Flächenbeitragsziele auf Landes- oder Regionsebene sollen die im betroffenen Raum festgelegten Windenergiegebiete mit Ausschlusscharakter und die landesrechtlichen Mindestabstände ihre Wirksamkeit verlieren und Windenergieanlagen dort nach § 35 (1) Nr. 5 BauGB im gesamten Außenbereich privilegiert sein.

Leider fehlt es nach unserer Kenntnis bislang an einer flächendeckenden statistischen Datenbasis und einer eingehenden fachlichen Diskussion über die tatsächliche Wirkung von Konzentrationszonen der Flächennutzungsplanung und abschließender Zielfestlegungen der Regionalplanung auf die Ansiedlungspotentiale der Windenergie. Insofern ist die praktische Tragweite dieser Regelung, die offensichtlich Druck auf „unwillige“ planende Gebietskörperschaften ausüben soll, nicht einfach einzuschätzen.

So sind beispielsweise in Baden-Württemberg, wie der aktuelle Länderbericht (Land Baden-Württemberg 2021) zeigt, für einen nicht unerheblichen Teil der Gemeinden bislang keine abschließenden Konzentrationszonen für die Windenergie in Kraft. Dies gilt sowohl für Metropolregionen wie Mannheim/Heidelberg und Stuttgart wie auch für Kommunen in ländlichen Räumen. Die ehemals bestehenden raumordnerischen Ausschlussgebiete wurden bereits 2013 mit Änderung des Landesplanungsgesetzes aufgehoben. Es existiert auch kein landesrechtlicher Mindestabstand. Insofern könnten dort Windenergieanlagen im gesamten Außenbereich errichtet werden, sofern alle sonstigen Genehmigungsvoraussetzungen für die Windenergieanlagen vorliegen. Dies scheint aber nicht in größerem Umfang zu geschehen. In diesen Gemeinden nun Windenergieflächen festzulegen, um das Flächenbeitragsziel zu erfüllen, würde wohl nicht zu einem verstärkten Ausbau der Windenergie führen, denn dieser wäre aus Sicht der Raumordnung und Bauleitplanung schon jetzt möglich – die Hindernisse scheinen anderswo zu liegen.

Grundsätzlich ist nämlich nicht vorrangig die Größe der Fläche entscheidend, auf der Windenergieanlagen planungsrechtlich zulässig sind, sondern es müssen die „richtigen“ Standorte enthalten sein, auf denen Windenergieanlagen in Übereinstimmung mit dem Planungsrecht und den konkreten Anforderungen des Natur-, Arten-, Wald- und Immissionsschutzes umsetzbar sind, und die sich zugleich technisch und wirtschaftlich eignen sowie kooperationswillige Eigentümer haben. Die auf das systematische Abarbeiten von Restriktions- und Konfliktkriterien angelegte flächendeckende Potentialanalyse des BMWK erfasst diese Standortkriterien für den tatsächlichen Erfolg einer Windenergieplanung naturgemäß nur unzureichend.

Positive Wirkungen auf den tatsächlichen Ausbau der Windenergie können mit den im WaLG geplanten Regelungen zum 2%-Ziel voraussichtlich vor allem dort erzielt werden, wo bislang sehr strenge landesrechtliche Vorgaben für die Siedlungsabstände viele potentiell geeignete Standorte sperren (zu nennen ist insb. Bayern mit der 10-H-Regelung) und/oder Gemeinden bzw. Regionen abschließende Planungen aufgestellt haben, die in größerem Umfang solche Flächen für die Windenergienutzung ausschließen, die gut geeignet sind und an denen Anlagenbetreiber tatsächlich Interesse haben. In welchem Umfang dies der Fall ist, ist nach unserer Einschätzung bislang nicht umfassend untersucht worden. Da eine quantitative Betrachtung allein nicht problemlösend ist, ist zu überlegen, ob und in welcher Detaillierung den Planungsträgern fachliche Vorgaben zur Überprüfung der tatsächlichen technischen und wirtschaftlichen Eignung und zur Verfügbarkeit von Windenergiestandorten gemacht werden sollten, um tatsächlich für Windenergieanlagen nutzbare Standorte und nicht nur konfliktarme Flächen auszuweisen.

Weiter gilt auch hier (entsprechend den Ausführungen zu Punkt II.), dass es hilfreich wäre, durch abschließende bundeseinheitliche Regelungen relevante Zulässigkeitsfragen, neben den Siedlungsabständen auch Themen wie Waldeingriffe oder den Lärmschutz, eindeutig zu klären. Die durch eine große Vielfalt unbestimmter Rechtsbegriffe, interimistischer Verfahren, divergierender gutachterlicher Aussagen und heterogener Rechtsprechung gekennzeichnete Windenergieplanung sollte insgesamt auf eine solide und von den Genehmigungsbehörden gut handhabbare Grundlage gestellt werden. Es ist nicht zielführend, die Regionen und Kommunen Windenergiegebiete ausweisen zu lassen, die dann entweder selbst der gerichtlichen Kontrolle nicht standhalten oder im folgenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren scheitern.

Mit freundlichen Grüßen
Dr.-Ing. Martin Rumberg
Stellvertretender Vorsitzender der SRL

Verfasser der Stellungnahme
Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weyrauch (Abschnitte I, erster Teil, und II)
Dr.-Ing. Martin Rumberg (Abschnitte I, zweiter Teil, und III)

 

Literatur und Rechtsprechung

Guidehouse Germany GmbH, Analyse der Flächenverfügbarkeit für Windenergie an Land post-2030, Ermittlung eines Verteilungsschlüssels für das 2-%-Flächenziel auf Basis einer Untersuchung der Flächenpotenziale der Bundesländer, Erstellt im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Berlin 2022. Land Baden-Württemberg, Länderbericht zum Stand des Ausbaus der erneuerbaren Energien sowie zu Flächen, Planungen und Genehmigungen für die Windenergienutzung an Land an das Sekretariat des Bund-Länder-Kooperationsausschusses im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gemäß § 98 EEG 2021, Berichtsjahr 2021, Stuttgart 2021.
Neidlein, Hans-Christoph: Rezepte gegen den Stillstand, in: ZfK 5/2019, 6.
BVerwG, Beschluss vom 15. September 2009 - 4 BN 25/09.
OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 24.02.2011 – 2 A 2/09 –, UPR 2011, 400. OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 10.04.2019, OVG 10 A 10.15, OVG 10 A 4.16 sowie OVG 10 A 6.16.
OVG Lüneburg, Urteil vom 5.3.2019 – 12 KN 202/17 –, BeckRS 2019, 4899.
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OVG Lüneburg, U.v. 03.12.2015 – 12 KN 216/13 –, BauR 2016, 470.
OVG Münster, U.v. 01.07.2013 – 2 D 46.12. NE –, BauR 2014, 597.
OVF Münster, U.v. 09.08.2006 – 8 A 3726/05 –, BauR 2007, 74-78.
Schmidt-Eichstaedt, Gerd, Die harten und weichen Tabuzonen bei der Windenergieplanung und die Beachtlichkeit etwaiger Fehlzuordnungen, ZfBR 2019, 434 - 443.

Stellungnahme