Dr.-Ing. Martin Rumberg, Stellv. Vorsitzender der SRL; Dr.-Ing. Johann Hartl, Vorsitzender des SRL-Ausschuss Planungsrecht, 29.09.2022

Entwurf eines Gesetzes zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht

 

Sehr geehrter Herr Ministerialrat, 

wir bedanken uns für die Zuleitung des Entwurfs zur Änderung des Baugesetzbuchs und die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. Wir erlauben uns in dieser Sache den Hinweis, dass eine Beteiligungsfrist von weniger als zwei Tagen nach unangekündigter Zusendung des Entwurfs nicht dazu geeignet ist, eine detaillierte Fachposition in der notwendigen Tiefe zu ermöglichen. Bei allem Verständnis für die Eilbedürftigkeit der Gesetzgebung sollten in Ihrem eigenen Interesse künftig wieder längere Fristen vorgesehen werden. Nur dadurch können Verbände Ihre Expertise fachgerecht in das Gesetzgebungsverfahren einbringen.

Die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) e.V. ist der Berufsverband aller in der räumlichen Planung Tätigen, sie ist im Lobbyregister der Bundesregierung eingetragen (R003672). In Wahrnehmung der Interessen unserer Mitglieder, aber auch des Berufsstands der räumlich Planenden, nehmen wir zum Entwurf wie folgt Stellung:

Zu § 249a: Sonderregelung für Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff

Das Ziel, mit Strom aus Windenergieanlagen verstärkt grünen Wasserstoff zu produzieren, anstatt die Anlagen bei Engpässen im Stromnetz abzuschalten, ist zu begrüßen. Die in § 249a BauGB vorgesehene planungsrechtliche Umsetzung wirft jedoch grundsätzliche Fragen auf. Wir geben hier Folgendes zu bedenken:

  • Es ist für uns noch nicht ersichtlich, welches Gesamtkonzept hinter der geplanten Privilegierung von Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff steht. Abgesehen von Sonderfällen, in denen der erzeugte Wasserstoff direkt vor Ort genutzt oder in vorhandene Netze eingespeist werden kann, müssen zum Elektrolyseur Anlagen zur Speicherung und Nutzung (insbesondere Rückverstromung) des Wasserstoffs hinzukommen. Für diese Anlagen ist in § 249a BauGB aber keine Privilegierung vorgesehen. Wir gehen auch nicht davon aus, dass dafür die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB greift. Was geschieht dann aber mit dem in der freien Landschaft erzeugten Wasserstoff? Wie wird er abtransportiert, wo und in welchen Anlagen wird er genutzt? Sind isoliert im Außenbereich stehende Elektrolyseure sinnvoll oder sollte die Elektrolyse – auch wegen der dabei entstehenden nutzbaren Wärme – nicht besser in der Nähe der Verbrauchsgebiete erfolgen?
  • Der im Gesetzentwurf genannte „räumlich-funktionale Zusammenhang“ ist als unbestimmter Rechtsbegriff nicht geeignet, ausreichend Klarheit über die räumliche Reichweite der geplanten Privilegierung nach § 35 BauGB zu schaffen. Ist damit ein Standort direkt an oder nahe der Windenergieanlage gemeint? Oder reicht der Zusammenhang, was technisch plausibel wäre, bis zum u.U. weit entfernten Übergabepunkt ins Mittelspannungsnetz? Wird der räumlich-funktionale Zusammenhang durch Konzentrationszonen für die Windenergie in den Regional- und Flächennutzungsplänen begrenzt, oder soll die Privilegierung auch außerhalb dieser Zonen greifen? Wir empfehlen hier dringend eine Präzisierung, auch um Zweifelsfragen und Klagen in der Umsetzung vorzubeugen.
  • Innerhalb der vorgesehenen Kapazitätsbegrenzung von 250 Nm³/h können Anlagen realisiert werden, die baulich ungefähr in der Größenordnung der bekannten Modellanlagen in der Krummhörn (Kapazität 210 Nm³/h) und in Salzgitter (400 Nm³/h) liegen. Diese Anlagen sind in der Grundfläche deutlich größer als die Windenergieanlagen selbst. Ob sie damit ohne weiteres im Außenbereich nach § 35 privilegierbar sind, ist für uns offen – zumal sie weitergehenden Erschließungsbedarf (z.B. Frischwasserversorgung) auslösen. Ob hierfür ein Planfeststellungsverfahren erforderlich wäre, kann aufgrund der zurückhaltenden Informationen in der Begründung zum Gesetzentwurf derzeit nicht beurteilt werden.
  • Da § 35 BauGB dazu dient, die Landschaft prinzipiell vor Zersiedelung zu schützen, halten wir es für unabdingbar, den Standort solcher Anlagen an vorhandene Standorte zu koppeln, vorzugsweise wohl an Einspeisungspunkte ins Mittelspannungsnetz (Regelfall der meisten WEA und kleineren Windparks), die weder – wie die WEA selbst – frei in der Landschaft noch in direkter Nachbarschaft von Wohnnutzungen liegen. Die Formulierung in § 249a Ziffer 1 koppelt den Standort jedoch an einen beliebigen Standort einer WEA, d.h. also durchaus auch an einen Standort, der z.B. nur über einen Feldweg für Wartungsfahrzeuge anfahrbar wäre. Während die Abregelung durch Fernwartung seitens des Stromnetzbetreibers erfolgt, ist hier unklar, wie die – vermutlich aufwendiger zu steuernden Wasserstoffanlagen – angesteuert und kontrolliert werden.
  • Es soll dem Gesetzentwurf nach zulässig sein, die Erzeugungsanlagen als „Nebenanlage zu einer oder mehreren Windenergieanlagen“ zu errichten. Insbesondere in Windparks stellt sich die Frage nach dem insgesamt zulässigen Umfang solcher Anlagen – hier wäre nach dem Wortlaut ein Elektrolyseur je Windrad zulässig. Auch ist noch unklar, ob und in welchem Umfang künftig die dann zulässigen Elektrolyseanlagen im Rahmen der Umweltprüfung für Windenergieflächen als potenzielle Beeinträchtigung von Boden, Natur und Landschaft sowie Landwirtschaft einbezogen werden müssten. Dies könnte auch die Ausweisung der durch das Wind-an-Land-Gesetz geforderten zusätzlichen Flächen unnötig erschweren.
  • Es ist zu befürchten, dass die Akzeptanz der Ausweisung von Windenergieflächen in der Bevölkerung weiter abnehmen wird, wenn dadurch quasi automatisch nicht nur die Zulässigkeit von Windrädern, sondern zugleich auch größerer Hallengebäude und Nebenflächen in schwer absehbarem Umfang begründet würde. Dies kann für den zügigen Ausbau der Windenergie kontraproduktiv sein.

Zu § 249b:    Verordnungsermächtigung zum Ausbau der erneuerbaren Energien auf Tagebaufolgeflächen

Unseres Erachtens werden die Länder mit Braunkohle-Abbaugebieten vorrangig in den Braunkohle-Abbaubereichen ihre flächenmäßigen Verpflichtungen nach dem Wind-an-Land-Gesetz erfüllen wollen und können; hier ist die vorgesehene Formulierung zielführend und angemessen. Auch wenn dies nicht unbedingt die windhöffigsten Flächen sein werden, werden damit schützenswertere Landschaften verschont.

Zu Absatz 2:
Wird von der SRL begrüßt. Da Windnutzung und Solarnutzung sich infolge der durchschnittlichen Tagesganglinien und auch der Sommer-/Winter-Energieausbauten idealerweise ergänzen, ist hiermit im gleichen Raum eine gleichmäßigere Energiegewinnung möglich, was insgesamt von Vorteil ist. In Abbaugebieten des Braunkohleplans stören Photovoltaik- oder Solarthermieanlagen kaum natürliche Landschaftsbilder.

Zu Absatz 3:
Im Sinne der Gesetzlichkeit ist eine Strategische Umweltprüfung (§§ 14a- 14n UVPG) selbstverständlich. Im Sinne der Verfahrensbeschleunigung, des Abbaus von Bürokratiekosten und von der faktischen Sachlage in Abbaugebieten des Braunkohletagebaus ist Absatz 3 kontraproduktiv. 

Es kann aufgrund der Kürze der Bearbeitungszeit nicht beantwortet werden, ob die mit Absatz 3 vorgesehene Bestimmung notwendig bzw. gerechtfertigt ist, ob sie verzichtbar ist oder ob gar eine anders gerichtete Formulierung, etwa „Von einer UVP wird abgesehen“ zielführender und gesetzlich zulässig wäre.

Artikel 2
Der mit Artikel 2 in Absatz 1 genannte § 249 Absatz 2 bezieht sich auf Verpflichtungen beim sog. Repowering, nach denen bei Neuanlagen vorhandene Anlagen zurückgebaut werden müssen, sofern dies im Bebauungsplan für die Neuanlage festgesetzt worden ist. Dies ist im Hinblick auf das Ziel der Energiegewinnung zielführend, widerspricht aber rechtsstaatlichen Grundsätzen. Die im Bebauungsplan von der Gemeinde nach Abwägung eingeräumte Möglichkeit der Errichtung neuerer, größerer Anlagen ist mit der Verpflichtung zum Rückbau „älterer“ Anlagen verbunden. Auch wenn „alte“ Windenergieanlagen in Abbaugebieten des Braunkohleplans (vielleicht auch den bestimmten Teilen des Abbaubereichs) sachlich wohl kaum weiter stören würden, ist dies u.E. nicht verhältnismäßig. Eine Aushebelung dieser Rückbauverpflichtung kann in der Gemeindeöffentlichkeit und Zivilgesellschaft zu Unmut führen.

Artikel 2 dieses Gesetzentwurfs ist deswegen ersatzlos zu streichen.

Nach Ihrem Referentenentwurf sind beide neuen Paragraphen Inhalt des Artikels 1 dieses Gesetzes. In Artikel 2 wird der in Artikel 1 voranstehende, neu einzufügende Paragraph gleich wieder geändert. Wir halten das für eine Unstimmigkeit im Gesetzesvorschlag; der Satz „§ 249 Absatz 2 ist im Geltungsbereich der Rechtsverordnung nicht anzuwenden“ usw. sollte gleich Bestandteil des Artikel 1 werden.

Bei Fragen stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr.-Ing. Martin Rumberg
SRL-Vorstand

Dr.-Ing. Johann Hartl,
Vorsitzender des SRL-Ausschuss Planungsrecht

Stellungnahme  Gesetzentwurf