Dr.-Ing. Martin Rumberg, Stellvertretender Vorsitzender der SRL; Dr.-Ing. Johann Hartl, Vorsitzender des SRL-Ausschuss Planungsrecht

Sehr geehrter Herr Ministerialrat, 
sehr geehrte Damen und Herren,

für die Gelegenheit, zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Digitalisierung im Bauleitplanverfahren Stellung zu nehmen, danken wir Ihnen.

Das Ziel, die Beteiligungsverfahren in der Bauleitplanung dem technischen Fortschritt und den veränderten Gewohnheiten anzupassen, teilen wir grundsätzlich. Im Einzelnen geben wir zu den Inhalten des Entwurfs folgende Hinweise und Anregungen:

1. Änderung § 3 Abs. 2 BauGB (Öffentlichkeitsbeteiligung via Internet als Regelfall): Durch die Änderung soll das Regel-Ausnahmeverhältnis der digitalen und analogen Beteiligungsformen umgekehrt werden. Für Menschen ohne ausreichenden Internetzugang oder digitale Kompetenzen sollen aber bis auf Weiteres auch andere leicht erreichbare Zugangsmöglichkeiten geschaffen werden. Ebenso soll es weiterhin möglich sein, Stellungnahmen auf analogem Weg abzugeben, wobei die Einschränkung, dass dies nur in begründeten Fällen möglich sein soll, unpraktikabel erscheint. Wir teilen die Einschätzung, dass die Zweigleisigkeit bis auf Weiteres notwendig ist, um die demokratische Teilhabe und die Möglichkeit, eigene Belange im Verfahren vorzutragen, sicher zu gewährleisten.

Die in den Formulierungen aus dem Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG) abgeleitete rechtliche Umsetzung erscheint uns hingegen problematisch. Die im Auftrag des BMI soeben vom Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung vorgelegte Evaluation des PlanSiG arbeitet als wesentlichsten Kritikpunkt heraus: „(...) eine fehlende Rechtssicherheit bei der Anwendung einzelner Instrumente, bedingt durch unbestimmte Rechtsbegriffe und offen gehaltene Formulierungen. In dieser Hinsicht bedarf es der Präzisierung und Klarstellung von Regelungen durch den Gesetzgeber“ (Evaluation, S. 2). Diese aus unserer Sicht zutreffende Folgerung greift der Gesetzentwurf nicht auf, sondern bleibt im Konkretisierungsgrad teilweise sogar hinter dem PlanSiG zurück.

Wir regen dazu an:

a)  Es ist zu unbestimmt, lediglich eine Veröffentlichung „im Internet“ zu fordern. Die digitale Form als Regelform der Öffentlichkeitsbeteiligung benötigt eindeutige und bundeseinheitliche Vorgaben für die digitale öffentliche Bekanntmachung, die Auffindbarkeit und Präsentation der Daten im Internet, die zu nutzenden Datenformate, der Barrierefreiheit und die Datensicherheit (z. B. geschützte Übermittlung und Authentifizierung von Stellungnahmen, Empfangsbestätigung etc.). Besser noch wäre der Aufbau einer leistungsfähigen bundeseinheitlichen Beteiligungsplattform nach aktuellen technischen Standards und eine obligatorische Abwicklung der digitalen Beteiligung über diese Plattform. Die bestehenden Länderportale zur Bauleitplanung und erst recht die Webseiten der Kommunen sind mangels einheitlicher Anforderungen bislang von sehr unterschiedlicher Qualität, und es ist fraglich, ob sie in allen Fällen den Erfordernissen hoheitlicher Verfahren genügen, wenn sie nicht nur wie bisher als ergänzende Informationsquellen dienen. Eine Einführung der formellen digitalen Beteiligung ohne vorherige Klärung dieser Fragen birgt aus unserer Sicht erhebliche Verfahrensrisiken, die entgegen der Absicht des Gesetzentwurfs die Planverfahren sogar behindern können.

b)  Ähnliches gilt für die Anforderung, zusätzlich zur Veröffentlichung im Internet „eine oder mehrere leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeiten“ zu den Planunterlagen zu schaffen. Der Begriff ist aus dem PlanSiG übernommen. Weil es sich nun aber um obligatorisch bereitzustellende Zugangsmöglichkeiten und nicht nur ein „zusätzliches Informationsangebot“ (so die Funktion im PlanSiG) handelt, hat die Regelung eine stärkere formelle Bedeutung. Die Anforderungen bleiben dennoch offen. Der Begriff „leicht zu erreichen“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der unterschiedlich interpretiert werden kann und ohne nähere Konkretisierung Unsicherheiten birgt, die das Planverfahren behindern können. Wir empfehlen daher, vor einer gesetzlichen Regelung konkrete Modelle für alternative Zugangswege (z. B. Lesegeräte) zu entwickeln und klare Anforderungen dafür in die Regelung aufzunehmen. Zumindest vorübergehend könnte es sinnvoll sein, angelehnt an die bisherige Regelung eine Formulierung wie „z. B. ist der Entwurf mit den Unterlagen gem. Abs. 2 öffentlich auszulegen“ aufzunehmen. Damit wäre zumindest klargestellt, dass die klassische Offenlage eine „leicht zu erreichende Zugangsmöglichkeit“ ist. Alternativ oder zusätzlich könnten Amtsblätter oder Tageszeitungen als beispielhafte Zugangsmöglichkeiten benannt werden. Es sollte jedenfalls mindestens eine konkrete Zugangsmöglichkeit spezifiziert werden, auf die sich die Gemeinden rechtssicher stützen können.

Ergänzend zu Frage 1 des Anschreibens: Ja, die ortsübliche Bekanntmachung sollte unbedingt weiterhin mehrgleisig (Internet, Aushänge, Amtsblätter, Tageszeitungen) erfolgen, um die Beteiligungsverfahren einer möglichst breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen und Beteiligungsrechte nicht zu verkürzen.

2. Änderung § 4 Abs. 2 BauGB – Behörden/TÖB-Beteiligung ausschließlich im Internet: Gegen diese Änderung haben wir grundsätzlich keine Bedenken. Öffentlichen Stellen ist die ausschließlich digitale Beteiligungsform ohne Weiteres zuzumuten. Viele Behörden machen davon auch heute schon Gebrauch.

Da die Kommunalverwaltungen und Planungsbüros aber auch immer wieder die Erfahrung machen, dass durch Behörden Papierexemplare der Planunterlagen angefordert und Stellungnahmen auf dem Postweg abgegeben werden, wünschen wir uns hier eine striktere Regelung. Zumindest sollte die elektronische Übermittlung der Stellungnahmen keine Soll-, sondern eine Muss-Vorschrift sein. Anders als bei Privatpersonen besteht hier kein Erfordernis für eine alternative Abgabemöglichkeit.

Die Abwicklung der Beteiligungsverfahren würde sich auch hier durch eine obligatorisch für die Abgabe von Stellungnahmen zu nutzende bundeseinheitliche Plattform vereinfachen lassen. Die Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange würde außerdem effizienter werden, wenn die Behörden ihre raumbezogenen Plandaten automatisiert austauschen könnten. Hier besteht immer noch ein Defizit. Es ist erforderlich, nach vielen Jahren der Entwicklung und Normierung im Projekt xPlanung möglichst schnell ein bundeseinheitliches Austauschformat funktionsfähig zu machen und behördenverbindlich einzuführen.

Ergänzend zu Frage 2 des Anschreibens: Ja, die Behörden sollten weiterhin direkt über die Veröffentlichung im Internet benachrichtigt werden. Der Aufwand für eine solche Benachrichtigung ist vernachlässigbar gering. Durch ihre Anstoßwirkung reduziert sich aber das Risiko, dass den Behörden Beteiligungsvorgänge verzögert oder überhaupt nicht zur Kenntnis kommen. Da die Behördenstellungnahmen im Planverfahren i. d. R. unverzichtbar sind, würde beim Entfall der Benachrichtigung ein neues und einfach vermeidbares Verzögerungsrisiko entstehen.

3. Änderung § 4a Abs. 3 BauGB – Beschränkung der erneuten Beteiligung als Soll-Vorschrift: Die Änderung wird als nicht nützlich eingeschätzt. Die Gemeinden können die erneute Beteiligung schon heute einschränken, sehen aber zumeist davon ab. Grund ist einerseits, dass im Vorfeld ein höherer Aufwand entsteht, weil der Beteiligtenkreis und der Gegenstand der Beteiligung individuell und begründet eingegrenzt werden müssen. Der Aufwand dafür wäre meist höher als der ersparte Arbeitsaufwand für die Auswertung der eingeschränkten Stellungnahmen. Andererseits steigt bei einer Einschränkung das Risiko von Fehlern (Verkürzung von Beteiligungsrechten; Abwägungsdefizite) im Bebauungsplanverfahren. Die mit der Änderung verbundenen Rechtsrisiken überwiegen damit etwaige Vorteile. Zudem: In die Abwägung muss eingestellt werden was der Gemeinde bekannt ist oder bekannt sein kann. D.h. da es keine Präklusionsfrist gibt, müssen selbst verspätet eingegangene abwägungsrelevante Stellungnahmen berücksichtigt werden, auch wenn sie ggf. nicht die geänderten oder ergänzten Teile betreffen (oder zeitlich außerhalb der Verfahrensschritte eingehen).

4. Änderung § 6 Abs. 4 BauGB – Verkürzung d. Genehmigungsfrist: Grundsätzlich sind verkürzte Genehmigungsfristen zu begrüßen. Es ist aber schwer abzuschätzen, ob eine bloße Fristverkürzung die Verfahren tatsächlich beschleunigen wird. Die Personalsituation bei den oberen Verwaltungsbehörden ist vielfach angespannt, so dass verkürzte Fristen möglicherweise faktisch nicht erreichbar sind und es häufiger als heute zu Anträgen auf Fristverlängerung bei den übergeordneten Behörden kommt. Problematisch wäre es, wenn infolge der Fristverkürzung künftig vermehrt Pläne mit fiktiver Genehmigung (d. h. praktisch ungeprüft) in Kraft treten würden.

Redaktioneller Hinweis zum Entwurfstext: Die Wörter „drei Monaten“ kommen in § 6 Abs. 4 BauGB zweifach vor, nämlich in Satz 1 und in Satz 2. Die Ersetzung durch „eines Monats“ soll offensichtlich nur das erste Auftreten (regelmäßige Frist) betreffen. Dies sollte redaktionell klargestellt werden („In § 6 Absatz 4 Satz 1 werden die Wörter...“).

5. und folgende Punkte: Keine Stellungnahme (redaktionelle Folgeanpassungen).

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr.-Ing. Martin Rumberg, Stellvertretender Vorsitzender der SRL
Dr.-Ing. Johann Hartl, Vorsitzender des SRL-Ausschuss Planungsrecht