SRL-Stellungnahme von Dr.-Ing. Martin Rumberg, stellv. SRL-Vorsitzender; Dipl.-Ing. Mike Petersen und
Dr.-Ing. Karlfried Daab, SRL-Ausschuss Planungsrecht, 17.11.2023

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Gelegenheit, eine Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer befristeten Sonderregelung für den Wohnungsbau in das Baugesetzbuch abgeben zu können. Der uns hierfür eingeräumte Zeitraum von nur drei Werktagen wird weder der Bedeutung des Themas gerecht noch erlaubt es eine Auseinandersetzung in der notwendigen Tiefe. Bei allem Verständnis für die Dringlichkeit des Themas – ohne eine fachliche Diskussion besteht die Gefahr, dass im Gesetzgebungsverfahren wichtige Belange nicht beachtet werden.

Die Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL) e.V. ist der Berufsverband aller in der räumlichen Planung Tätigen, sie ist im Lobbyregister der Bundesregierung eingetragen (R003672). In Wahrnehmung der Interessen unserer Mitglieder, aber auch des Berufsstands der räumlich Planenden, nehmen wir zum Entwurf wie folgt Stellung:

Allgemeines 

Die Neuregelung wird damit begründet, dass es sich im Hinblick auf die erforderliche Wohnraumversorgung mit einer bei der Einführung des § 246 (14) BauGB vergleichbaren Situation handele. Die Begründung verkennt, dass es sich bei der damaligen Regelung um einen Notausnahmetatbestand aufgrund kurzfristig von außen einwirkender Ereignisse gehandelt hat. Es handelt sich zudem um einen Auffangtatbestand, der erst angewendet werden kann, wenn die Unterkünfte nicht unter Anwendung der Absätze 8 bis 13a errichtet werden können. Zudem wurde die Regelung überwiegend für temporäre Unterkünfte angewendet. Die Situation der langfristigen Wohnraumversorgung in Deutschland ist aus unserer Sicht keinesfalls mit der temporären Unterbringung von Geflüchteten vergleichbar.

Mit der beabsichtigten Neuregelung entfällt außerdem die Voraussetzung, andere Genehmigungswege auszuschöpfen (z.B. Ausnahmen und Befreiungen, Aufstellung von Bebauungsplänen). Der Vorrang einer langfristigen planerischen Steuerung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung wird zugunsten individueller und kurzfristiger Einzelfallentscheidungen aufgegeben. Mit der Neuregelung wird ergänzend zu §§ 34 und 35 BauGB eine viel zu weitgehende Planersatzvorschrift eingeführt. 

Wir befürchten, dass bei der Anwendung dieser planersetzenden Neuregelung wesentliche öffentliche Belange unberücksichtigt bleiben. 

Satz 1

Nach Satz 1 der Neuregelung kann von Regelungen des BauGB „im erforderlichen Umfang“ abgewichen werden. Eine Beschränkung der Vorhabenträger erfolgt im Gegensatz zu § 246 (14) BauGB nicht, so dass der Kreis der Begünstigten von Gebietskörperschaften auf beliebige Dritte deutlich erweitert wird. Begünstigt werden können auch Investoren. In der Erweiterung der Begünstigten sehen wir ein erhebliches Konfliktpotential. Im Gegensatz zu vorhabenbezogenen Bebauungsplänen oder Bebauungsplänen in Verbindung mit städtebaulichen Verträgen besteht zudem keine Möglichkeit zur Vereinbarung von Bauverpflichtungen. Auch die Möglichkeit einer Bindung der Zulässigkeit an die Errichtung von Wohngebäuden, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden (könnten), mit der das Ziel der Bundesregierung zur Errichtung von 100.000 geförderten Wohnungen unterstützt wird, besteht nicht. 

Die Neuregelung lässt offen, wer die angeratene Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen soll. Der Gemeinde wird es innerhalb der ihr gesetzten Frist von 2 Monaten kaum möglich sein.

Satz 2 und Satz 3

Die Ausdehnung der planersetzenden Neuregelung auf den Außenbereich ist abzulehnen. Wenn der räumliche Zusammenhang mit dem Siedlungsbereich bzw. rechtskräftigen Bebauungsplänen gemäß der Gesetzesbegründung auch noch bei einem Abstand von bis zu 
100 m gelten soll, ist zu befürchten, dass mit der Neuregelung nicht nur einzelne Wohngebäude genehmigt werden können, sondern auch größere Wohnquartiere. Das widerspricht dem Vorrang der Innenentwicklung. Der im BauGB grundsätzlich beabsichtigte Schutz des Außenbereichs wird so konterkariert. Daran ändert auch nichts, dass – im Gegensatz zum europarechtlich unzulässigen 13 b BauGB – am Ausgleichserfordernis festgehalten wird.

Satz 4

Unklar bleibt die Bedeutung der Regelung zu den Nummern 18.7 und 18.8 der Anlage 1 zum UVP-Gesetz. Ziffer 18.7 gilt für größere Baugebiete mit einer Fläche von mehr als 2 bzw. 10 ha, Ziffer 18.8 für eine Vielzahl von städtebaulichen Vorhaben, bei denen es sich nicht um Wohnungsbau handelt. Da solche Vorhaben gem. Anlage 1 andere Projekte sind als die in Satz 1 genannten Wohngebäude, wird diese Regelung zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit bei den Anwendern führen.

Fazit

Mit der vorgesehenen Sonderregelung für den Wohnungsbau wird jeder planerische Steuerungsanspruch aufgegeben. Jedes auf dieser Grundlage an städtebaulich unpassender Stelle erbaute Wohngebäude lädt den Städten und Gemeinden für die nächsten Jahrzehnte unabsehbare städtebauliche und soziale Folgeprobleme auf und lässt die Entstehung von städtebaulichen Missständen erwarten. 

Die beabsichtigte großzügige Ausdehnung der Vorschrift auf den Außenbereich ist allein schon aus Gründen des Klimaschutzes und der Klimaanpassung unverantwortlich.

Daher sollte von der vorgesehenen Regelung abgesehen werden. 

Bei Rückfragen stehen wir gern für eine Abstimmung zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dipl.-Ing. Mike Petersen                                                 Dr.-Ing. Martin Rumberg
SRL-Ausschuss Planungsrecht                                         SRL-Vorstand

Bearbeitung: Dipl.-Ing. Mike Petersen, Dr.-Ing. Karlfried Daab

 

Stellungnahme


Stellungnahme der Hochschullehrenden der Stadt- und Raumplanung zum geplanten § 246e Baugesetzbuch, 05.12.2023

 Stellungnahme